Kondolenzbuch: Erwin Sedlmayr

Die Kondolenzbeiträge

Erwin Sedlmayr war einer der feinsten und klügsten Kollegen, denen ich in meiner 50jährigen Zugehörigkeit zur TU Berlin begegnet bin: ein "bayrischer" Gentleman mit Witz, Humor, Selbstironie und einem klaren Kompaß für Qualität. An ihn und die Begegnungen mit ihm zu denken, erfreut Herz und Hirn. Helmut SCHWARZ

Helmut SCHWARZ, 4. Februar 2022

Ich habe Erwin Sedymayr zu Beginn meiner Zeit an der TU Berlin kennen und schätzen gelernt. Insbesondere werde ich die viele interessanten Diskussionen zu unserem gemeinsamen Interesse der Astrochemie (z.B. zur Staubentwicklung) vermissen. Auch in Diskussionen im Prüfungsausschuß hat sich sein angenehmer, großzügiger und gutmütiger Charakter gezeigt. Wir haben einen vorbildhaften Lehrer, Forscher und Kollegen verloren und werden ihn stets in sehr guter Erinnerung behalten. Otto Dopfer

Otto Dopfer, 4. Februar 2022

Erwin Sedlmayr war mein Doktorvater und eine sehr prägende Person. Ein Mensch voller Kraft und Eigenheiten. Erwin war zuerst Physiker und Philosoph. Eine eindrückliche Erinnerung ist die erste Stunde seiner Einführung in die Astronomie Vorlesung, in der ich zum ersten Mal Kontakt mit ihm hatte. Andere Astronomen fangen so eine Vorlesung an mit anschaulichem Bildmaterial, vielleicht ein Bild von der Sonne und dann eines von einem Galaxienhaufen. Erwin ging zur Tafel und schrieb F_\nu - das ist der Fluss von elektromagnetischer Strahlung einer bestimmten Frequenz, der pro Sekunde durch ein Stück Oberfläche strömt. "Effnu", sagte er, "das ist ALLES, was wir über das Weltall wissen. Die einzige Informationsquelle, die wir haben. Wenn wir etwas aus dem ankommenden Fluss lernen wollen, dann müssen wir wissen, wie elektromagnetische Strahlung erzeugt, absorbiert und transportiert wird". Und dann führte er die Strahlungstransportgleichung in Tensorschreibweise ein, wohlgemerkt im Grundstudium. Es folgten Stunden voller Formeln. Erwin liebte das. "Ich bin ein Rechner", sagte er. Für alle astronomischen Themen schien ihm die theoretische Beschreibung, die Ableitung aus fundamentalen Erhaltungssätzen die einzig korrekte. Theorie kam für ihn vor der Beobachtung, nicht danach. Diese eigenwillige, abstrakte Herangehensweise hat sich zumindest für mich didaktisch sehr wirksam erwiesen und in mir die Astronomie (und Physik) auf eine einzigartige Weise verankert. Das Wissen, dass es eine mathematische Beschreibung der Natur gibt, die, mit genügend Einsatz, nachvollziehbar und wirksam ist, ist sein bleibendes Geschenk an mich.

Als Doktoranden waren wir eine eingeschworene Gemeinschaft. Erwins Philosophie war, uns unbedingte Freiheit zu gewähren, auch weil er die selber nicht immer erfahren hatte. Eine Konsequenz davon war, dass er von uns erwartete, mit allem selbst fertig zu werden. Wir schrieben die DFG Anträge für unsere Doktorandenstellen selber, in langen Stunden in der rauchigen Bibliothek, und hatten am Ende tatsächlich alle eine Stelle. Die Gruppe was so aufgebaut, dass unsere Projekte zusammen das ganze Forschungsgebiet der Staubbildung abdecken sollten. Er nannte uns ein "U-Boot auf Feindfahrt", wenn wir auf einer Konferenz mit unseren Ergebnissen auftreten wollten. Erwin hatte nicht immer die Geduld, sich in die Einzelheiten von unseren Projekten zu vertiefen. Oft mochte er lieber über alle Aspekte der Zeit philosophieren (von der Physik bis in die Kunst und Mystik). Oder er wollte darüber diskutieren, in welchem Sinne man von einem Stein sagen könne, dass der lebt. Komplizierte theoretische Vorlesungen kurzfristig von ihm zu übernehmen oder das Mitschreiben an Artikeln für verschiedene Bücher gehörte zu den Feuertaufen, die er für uns bereithielt. Mir haben sie auf jeden Fall den Rücken gestärkt, und ich bin dafür dankbar.

Erwin war auch ein warmer Mensch, mit Humor und Freundlichkeit, mit dem Wunsch nach geselligem Zusammensein mit Bier und gutem Essen, mit Idealen, die er mit seiner Gruppe realisieren wollte, und mit dem Wunsch, sich anderen mitzuteilen. Die Welt ist ärmer ohne ihn. Möge er in Frieden ruhen.

Amsterdam, am 5. Februar 2022

Carsten Dominik, 5. Februar 2022

Mit großer Bestürzung habe ich vom Tod von Erwin Sedlmayr erfahren. Ich lernte Erwin Sedlmayr kurz nach meiner Ankunft in Berlin kennen. Ihn und seine Arbeitsgruppe zu treffen war eine große Freude. Seine ehrliche Begeisterung für die Astronomie konnte er leicht auf die Kollegen, Mitarbeiter und Studenten in seinem Umfeld übertragen. Unvergessen sind die Freitagabende in der Bibliothek bei einem Fässchen Bier und vielen interessanten Gesprächen. Die Herzlichkeit, Begeisterung und Inspiration in dieser Arbeitsgruppe waren wunderbar und es war eine besondere Freude Teil davon sein zu können.

Mit Erwin Sedlmayr ist jemand von uns gegangen, der weit über sein Fachgebiet hinaus für die Wissenschaft geworben hat und viele Menschen erreichen und begeistern konnte. So manche/‌mancher aus Arbeitsgruppe ist noch heute in der Astronomie tätig und hat diesen Geist mitgenommen. Ich habe das Glück gehabt, bei ihm habilitieren zu dürfen und auch mich hat seine Begeisterungsfähigkeit inspiriert.

Erwin Seldmayr wird uns allen sehr fehlen. Ich wünsche seiner Familie viel Kraft und Trost.

Heike Rauer

Heike Rauer, 6. Februar 2022

Ich habe Herrn Sedlmayr das erste Mal in einem Vortrag erlebt, den ich als Doktorand gehört habe, und war sofort angetan von seiner Art Wissen mit Begeisterung und Tiefsinn zu vermitteln. Er hat stets über den Tellerrand in die Ferne geschaut und auf interessante Zusammenhänge, vor allem auch philosophischer Natur, hingewiesen.

Als ich die Leitung des Zentrums von ihm übernahm, hat er dies mit der Übergabe eines Hofs an die nachfolgende Generation verglichen, und er hatte, das muss ich mit großer Bewunderung und Anerkennung sagen, sein Feld auf das Beste bestellt, alles verlief reibungslos und harmonisch. Seine liebenswürdige Art, immer und jederzeit zu helfen, und seine Großherzigkeit in allen Belangen, werden mir stets in dankbarer Erinnerung bleiben. Er war nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mensch herausragend.

Dieter Breitschwerdt, 7. Februar 2022

Die Nachricht, daß Erwin Sedlmayr verstorben ist, hat mich zutiefst schockiert. Ich hatte Erwin zu einer Zeit kennengelernt als das damalige Institut für Astronomie und Astrophysik noch am Ernst-Reuter-Platz im sog. "Telefunkenhochhaus" angesiedelt war. Ich kannte ihn als einen hervorragenden und engagierten Wissenschaftler aber auch als einen großartigen Menschen, der viele für die Physik zu begeistern und zu inspirieren vermochte. Andererseits war er an nahezu allen anderen Themen dieser Welt interessiert und strahlte dabei immer eine große Ruhe und Menschlichkeit aus. Persönlich bin ich davon überzeugt, ungeheuer viel von ihm gelernt zu haben.

"Non mortem timemus, sed cogitationem mortis" - Seneca -

Christian Chang, 8. Februar 2022

Erwin Sedlmayr hatte eine wahrlich einmalige Art und Weise, Menschen fuer die grossen Fragen des Kosmos zu begeistern. Sein Wissen erschien mir als Student unendlich, insbesondere in der Breite. Er war immer auf der Suche nach Einfachheit und Klarheit, nach der "Schoenheit" in der Physik, und dieses Bestreben fuellte ihn mit Energie, die man in seiner Naehe spueren konnte. Er konnte Sachverhalte auf zig verschiedene Weisen erklaeren, je nach Zuhoererschaft, spontan, und je nach dem, was ihm gerade so an diesem Tag passiert ist. Ich weiss noch, wie er mich in meiner Diplompruefung fragte, wie man denn die Strahlungstranportgleiching herleiten koenne. Als ich damit an der Tafel anfing, winkte er ab. Er wollte doch nicht, dass ich da jetzt da irgendwas "hinfummle", sondern er wollte wissen ob ich weiss, wie das grundsaetzlich geht, und zwar auf verschiedenen Leveln.

Das Institut leitete er "wie einen Bauernhof", das war sein Motto, und darauf wahr er stolz. Ich glaube ich habe nie wirklich verstanden, was er damit gemeint hat, aber es atmete positive Energie. Ich glaube, es war ihm stets ein Anliegen, jungen Leuten davon etwas mitzugeben.

Peter Woitke, 8. Februar 2022

Herr Erwin Sedlmayr war ein hervorragender Wissenschaftler und ein Mensch.

Miriam Rengel, 10. Februar 2022

Auch in Japan wird an Erwin Sedlmayr mit Trauer gedacht. Doch gleichzeitig lebt die Erinnerung an die besonderen ,guten gemeinsamen Stunden, an die faszinierenden , inspirierenden Gespräche und Diskussionen in Heidelberg, Berlin, Tokyo und Bayern. Sie waren die reine Freude und Genuss . Für uns bleibt er immer da, wo wir mit ihm waren. Erwin, von Herzen Dank! uta und keiichi kodaira Hayama , Japan

Keiichi Kodaira, 11. Februar 2022

Mit großer Trauer habe ich vom Tod von Erwin Sedlmayr erfahren. Wir haben einen hochverdienten und hochangesehenen, engagierten und liebenswürdigen Kollegen verloren, bei dem die Menschlichkeit immer im Vordergrund stand. Als langjähriger Vorsitzender des Prüfungsausschusses, als Förderer hochbegabter Studierender, als hochgebildeter Gesprächspartner nicht nur im fachwissenschaftlichen, sondern auch im philosophischen Diskurs trat er mir in vielfacher Funktion entgegen. Nicht zuletzt werden mir die neun Jahre unserer wissenschaftlichen Zusammenarbeit im SFB 555 "Komplexe nichtlineare Prozesse", dem er seit dessen Gründung im Jahre 1998 als Teilprojektleiter angehörte, stets in Erinnerung bleiben. Wir werden ihn alle sehr vermissen.

Eckehard Schöll, 11. Februar 2022

Es hat mich unfassbar traurig gemacht, als ich vom Tot von Herrn Sedlmayr erfahren habe. Rückblickend auf mein Physikstudium an der TU Berlin und meine Zeit am Zentrum für Astronomie und Astrophysik empfinde ich große Demut, Dankbarkeit aber auch Freude, Herrn Sedlmayr als Professor und Menschen kennengelernt zu haben. Die wöchentlichen Vorlesungen mit ihm waren für mich immer ein Highlight. Seine sympathische und kompetente Art und Weise, uns Studenten das Universum näher zu bringen, bleibt unvergessen. Ich wünsche seiner Familie alles erdenklich Gute.

Stefanie Gebauer, 15. Februar 2022

Erwin Sedlmayr war ein feiner und tiefsinniger Kollege, den ich in Heidelberg kennen gelernt habe. Uns verband ein gemeinsames Interesse an der Stern-umd Planetenentstehung. Der wichtige Aspekt dabei war die Entstehung des Staubes und seine Rolle im Strahlungstransport. Sedlmayr war wie wenige andere allgemein interessiert und so haben wir immer schöne Gespräche geführt. Das blieb auch so, als er nach Berlin gegangen war und wir uns nicht mehr jede Woche trafen. Ich werde ihn vermissen.

Heinrich Völk, 16. Februar 2022

Die deutsche Astronomie hat mit dem Tode von Erwin Seldmayr einen hervorragenden Astronomen verloren, der sich nicht nur für seine Wissenschaft, sondern auch für die astronomische Gemeinschaft Deutschlands eingesetzt hat. Inbesondere als sein Nachfolger im Amt des Präsidentens der Astronomischen Gesellschaft darf ich stellvertretend für den Vorstand der AG und aller ihrer Mitglieder unsere Bestürzung und Anteilnahme zum Ausdruck bringen.

Michael Kramer, 16. Februar 2022

Mit Erwin hat die Welt einen besonderen und herausragenden Menschen verloren. Ich, wie viele Andere, haben ihm viel zu verdanken. Er begeisterte und faszinierte, weit über die Physik hinaus... Es war eine Ehre ihn kennengelernt zu haben.

Marcus Lüttke, 20. Februar 2022

Herr Sedlmayr war mir als Mentor zugeteilt. Seine Vorlesungen waren stets faszinierend und eine Prüfung bei ihm unvergesslich - er hatte ein Herz für uns junge Studenten. Mein herzliches Beileid

Christoph Heidrich, 23. Februar 2022

Mit Bedauern habe ich vom Tod von Prof. Sedlmayr erfahren. Ich kannte Prof. Sedlmayr aus Vorlesungen und Prüfungen und habe ihn als einen sehr sympathischen und begeisternden Hochschullehrer mit Leib und Seele erlebt. Er wird mir in Erinnerung bleiben.

Cemil Yigit, 3. März 2022

Erwin Sedlmayr stand wie wenige andere für den zunehmend seltener anzutreffenden Professorentypus, der sich neben tiefgehender Kenntnis des eigenen Faches durch schier endlose Neugier auf Fachfremdes auszeichnete. Er beeindruckte und inspirierte seine Studentinnen und Gesprächspartner durch eine breite Kenntnis des gesamten Spektrums der Natur- und Geisteswissenschaften, der Künste, Theologie und ganz allgemein des kulturellen Fundamentes, auf dem unser heutiges Wissen ruht – wobei stets klar war, dass all dieses Wissen nicht der intellektuellen Eitelkeit sondern allein dem gemeinsam zu verfolgenden Erkenntnisinteresse diente. Dazu beizutragen war der Erstsemester-Student in Diskussionen genauso eingeladen wie die Fachkollegin. Mit diesen Eigenschaften wurde Erwin Sedlmayr für mich wie für viele andere zu einem Vorbild, dessen offensichtlichster Einfluss eine weit verbreitete Begeisterung der TU-Studenten für die Astronomie war. Tatsächlich reichte dieser Einfluss für nicht wenige jedoch noch sehr viel weiter.

Sibylle Anderl, 3. März 2022

Der Tod von Prof. Sedlmayr erfüllt mich mit Trauer, aber ruft auch viele wunderbare Erinnerungen nicht nur anlässlich der AG-Tagungen zurück, denn bereits in den 80er-Jahren hatte ich als Astronom am Planetarium Stuttgart oft das Vergnügen, ihm gemeinsam mit meinem damaligen Chef und Vorgänger im Amt des Rendanten der AG, Prof. Hans-Ulrich Keller, zu begegnen und vor allem auch zuzuhören. Seine offene, menschliche Art, sein Tiefsinn, seine Neugier und Ausstrahlung reichte stets weit über die Astronomie hinaus. Er war eine inspirierende und prägende Persönlichkeit an die ich immer wieder gerne und dankbar denken werde - mit großem Respekt für ihn und seine Leistungen. Möge er in Frieden ruhen.

Thomas W. Kraupe, Hamburg, 9. März 2022